Juni 2020 – kompass

Morgens an der U8-Haltestelle ein kompass-Verkäufer, den ich vom Sehen kenne. Er weint, er weint laut und verzweifelt. Ich halte es kaum aus, ich hab heute morgen auch schon geweint, muss das denn alles sein, ich kämpfe mit mir, warum?, am Ende, in der U-Bahn spreche ich ihn an. (Ich: Maske auf, er: keine). Gehts dir nicht gut heute, was ist denn los? Er sagt, die haben ihn verprügelt und ihm alles geklaut, was er hatte. Was denn, frage ich, deine Sachen?, er guckt verständnislos, alles, was er gesammelt hatte, sagt er, und bisschen Hartz IV hat er auch noch gehabt, alles weg jetzt. Ich krame in meiner Tasche nach meinem Geldbeutel, soll ich ihm ein Tempo anbieten, damit er seine Tränen trocknen, ein Päckchen Desinfektionstücher, damit er sich auch mal die Hände desinfizieren kann, ist das alles falsch, richtig, Und die bei kompass, unterstützen die dich nicht? – Ach, macht er und eine wegwerfende Handbewegung dazu, die haben selber kein Geld. Das war gar nicht unbedingt das, was ich meinte, was dann? Was meinst du, Elli? Ich finde meinen Geldbeutel, gebe ihm vier Euro in seinen Pappbecher, kauf dir erstmal einen Kaffee. Danke, schlurft er davon.

Herrgott.