März 2020 – Corona 10 – ältere Leute

Keine Ahnung, ob sich da hormonell was verändert oder sich sonstwie was im Hirn anders verbahnt, aber ältere Leute scheinen echt kein Bewusstsein mehr für die Gefahr zu haben. Wie oft ich das jetzt schon gehört habe, dass die erwachsenen Kinder auf ihre Eltern einreden, nicht mehr zur Rush Hour mit dem Bus zu fahren, doch bitte darüber nachzudenken, den Spanienurlaub zu verschieben, nicht mehr im Kirchenchor singen zu gehen, das ist schon verwunderlich. Als ich meinen älteren Nachbarn – angetriggert durch Aufrufe in den Medien zugegebenermaßen, wirklich wohl ist mir dabei nicht – im Hausflur frage, ob alles okay ist und ob sie was brauchen, reagiert er irritiert und unwirsch. Vom Vater einer Freundin höre ich, dass er zunächst denkt, er solle seine Enkelkinder nicht sehen, um sie vor ihm zu schützen, nicht anders herum. Als man ihm sagt, dass er zur Risikogruppe gehört, kann er das nicht glauben, er ist doch noch gar nicht alt. Erst 76. Von einem anderen älteren Herrn wird kolportiert, er halte die 20-Sekunden-Handwaschregel für völlig überzogen (dafür hab ich keine Zeit) und wolle es sich nicht nehmen lassen, den Leuten jovial wie immer die Hand zu schütteln, alles andere wäre ja auch unhöflich. Was ist das bei diesen älteren Leuten? Das Leben am Abgrund, das man sowieso gewohnt ist? Das Gefühl, keine Zeit mehr zu haben, für so ein aufgeschobenes, abwartendes Leben, weil das eigene ja jederzeit vorbei sein kann? Die Idee einer Unverletzlichkeit, weil man nun schon so viel erlebt hat, und nichts davon hat einen umgebracht? Oder das Stoische der Gewohnheit, so wars schon immer und das mach ich jede Woche, warum solls jetzt plötzlich schlecht sein, warum ändert sich ständig was, man muss nicht alles mitmachen?

Wenn demnächst der junge Mann von unten an meiner Tür klingelt und fragt, ob es mir gut geht und ob er was für mich einkaufen soll, dann hau ich ihm die Tür vor der Nase zu.