September 2019 – my bat

Nachts wache ich auf, oder bin noch wach, das ist schwer zu unterscheiden in den letzten Jahren. Der Rechner ist an, ich bin über einer meiner Netflix-Gutenacht-Geschichten eingeschlafen, wie eigentlich fast immer, das einzige was hilft, gegen die Angst. Ich fahre das blaue Licht herunter, kippe das zweite Fenster und krieche zurück ins Bett. Im Dunkeln warte ich auf meine innere Reaktion, die hoffentlich Schlaf sein wird. Plötzlich schrecke ich hoch, weil ich ein Geräusch höre, ich weiß sofort: ein Tier ist im Raum. Vor mir, über meinem Bett, bewegt es sich, ein Falter, nein, zu groß, zu kreisend – eine Fledermaus. Schemenhaft, kaum wahrnehmbar dreht sie ihre schnellen Runden unterhalb der Zimmerdecke, immer wieder, im gleichen Rhythmus, das ist nicht eine, das sind zwei, verdammte Scheiße, die Zimmerdecke ist nicht hoch, mein Bett aber schon, was mach ich bloß, die sind mir zu nah dran, ich dreh mich aus dem Bett raus, gehe mit eingezogenem Kopf zur Zimmertür, ich will nicht, dass sie sich in meinen Haaren verfangen, und betrachte von hier aus die beiden dunklen Schatten, die lautlos ihren Tanz aufführen, ängstlich wirken sie, aufgeregt, aber auch aufeinander bezogen, sie drehen sich wie ein absurdes Mobilé. Soll ich das Licht anknipsen, verwirrt sie das, quält es sie gar?, idiotischerweise habe ich Handy und Laptop neben meinem Bett liegen lassen, sonst könnte ich jetzt das Weltweite Netz befragen, flapflap, Fledermäuse im Zimmer, was tun, Schluss jetzt, ich brauche einen Überblick, muss ja auch an mich denken, Licht an: es bleibt dabei, zwei Fledermäuse, kreisend, ich schalte das Licht wieder aus. Ich muss das Fenster öffnen, sperrangelweit, dann finden sie bestimmt raus, aber ich kann da nicht rein, in das Zimmer. Mein Eindruck: sie werden müde, sie kreisen immer weiter unten, schon fast auf der Höhe meiner Schulter. Ich hole ein Handtuch aus dem Bad, lege es mir über den Kopf, flapflap, das sind sie noch immer, Ich trau mich nicht da rein, in den schwarzen Kreis, trotz Handtuch, so zwischen denen durch, das bringt sie womöglich komplett durcheinander, und es gibt Kollisionen, also vielleicht wenn ich bei ihnen das Licht anmache, und hier nebenan, im Wohnzimmer die Balkontür ganz weit auf und das Licht aus, es zieht sie doch ins Dunkle…?

Das mach ich und verzieh mich hinter die Tür um das Ganze zu beobachten, und es dauert ein bisschen, aber dann fliegt eine, die Größere, raus. Aber wo ist die andere? Nach einer Weile überprüfe ich mein Zimmer. Sieht aus, als wären sie beide weg. Ich schalte das Licht an, suche alles ab. Ich finde, es riecht nach Urin. Was wenn sie hier vor Angst oder einfach weil sie mussten, in mein Zimmer gepinkelt haben, auf mein Bett, was, wenn sie noch irgendwo hier sind, oder die eine, vielleicht haben sie ja auch gekackt. Ich finde nichts.

Im Internet kennt man das Phänomen: Im August und September verirren Fledermäuse sich gerne in Wohnungen, da reicht ein gekipptes Fenster. Gerade junge Fledermäuse auf der Suche nach Nistplätzen verwechseln die Wohnung mit einer Höhle oder die schmale Fensteröffnung mit einem Höhleneingang. Fenster weit aufmachen, damit sie rausfliegen können. Und die Wohnung absuchen, denn manchmal legen sie sich, wenn es hell wird, zum Schlafen in geöffnete Taschen oder Schubladen, Wenn man sie schlafend findet, soll man sie vorsichtig in einen Eimer oder so legen (Handschuhe an) und in der Dämmerung hinauslassen. Ich bin froh, dass ich niemanden anfassen musste.

Komisch, schon die zweite verwirrte Fledermaus-Episode dieses Jahr. Die Echo-Ortung ist auch nicht mehr das, was sie mal war, die wirken so aus dem Takt gebracht. Das liegt bestimmt an irgendwas Menschengemachtem. Seltsam auch die Vorstellung, dass sie die ganze Zeit ganz laut geschrien haben, und ich das nicht gehört habe. Mir kamen sie so besonders lautlos vor.

Inzwischen ist es fast hell. Ich ziehe um aufs Sofa, schließe alle Fenster, auch die gekippten und schlafe zwei Stunden.