Juni 2019 – Solidarität

Gestern auf dem Heimweg. Wedding, kurz vor Ubahnhof Pankstraße, es ist 23 Uhr. Läuft ein Typ an mir vorbei, Mitte 50, klein, dick, migrationsprollig. Ich trage einen Rock, ein bisschen Bein schaut raus – Tssch, schnalzt er genüsslich mit der Zunge, macht unvermittelt eine Bewegung in meine Richtung und schnipst mit Finger an mein Bein, gerade so ohne es zu berühren. Ich erschrecke, die Bewegung kommt so plötzlich, im Weiterlaufen mache ich auch Tss, und sage laut „Arschloch.“

An der Ampel kommt eine junge Frau neben mir zu stehen, Mitte zwanzig, sie ist hübsch, bisschen New Yorki gekleidet, sie spricht mich an: Are you okay? Yes, sage ich, thank you, und lächle sie an. I hate, when this happens, sagt sie. Yes, sage ich, its always horrible, thank you for asking, thats very nice, really: Thanks for asking. Wir nicken uns zu. Es ist wundervoll.

Am I okay?, frage ich mich im Nachhinein. Das, was in mir aufwallt, ist etwas anderes als das, was ich getan habe (Weiterlaufen, Arschloch sagen). Ich hätte ihm gerne die Fresse poliert, meinen Hass, meine Verachtung und meine Frustration über meine Ohnmacht in sein Gesicht gehauen, ihm mit dem Fuß Thai-Box mäßig gegen seinen Wanst getreten, um ihm ein für alle Mal das Handwerk zu verderben. Das ist, weil er mich erschreckt hat. Weil ich zusammen gezuckt bin. Weil er nicht nur dumm und sexistisch agiert hat, sondern weil er meinen Körper affiziert hat. Weil ich mich aufrege, weil ich zittrig bin, weil er mir den Abend versaut hat. Einfach so. Weil ers kann.

Vielleicht wäre es doch besser gewesen, stehen zu bleiben und ihn mit mehr als einem „Arschloch“ zu konfrontieren, worüber er eh nur kichert. Vielleicht ist es doch mal an der Zeit Kampfsport zu machen. Oder wenigstens einen Selbstverteidigungskurs. Auch wegen und für die junge Frau, die mich angesprochen hat. Solidarnosc