März 2019 – Der Melle-Automat

Gehe mit G. Uncanny Valley schauen, von Thomas Melle, im Haus der Berliner Festspiele.  

Am Ende sind es die Menschen, die ich uncanny finde,

die aufstehen, und nach vorne treten, zuerst vorsichtig, dann immer forscher,

um die Maschine zu begutachten, die ihnen eben noch ihre Lebensgeschichte erzählt hat, die sich bewegt, in den letzten Zügen des Programms, von dem sie in der letzten Stunde bestimmt war,

um sie zu fotografieren, zu filmen, ihr in den offenen Körper zu schauen, in ihr Gehirn, in ihre Eingeweide,

obszön kommt es mir vor, sich so auf die Kreatur zu stürzen.

Ein Rest respektvoller Distanz bleibt, schließlich hat der Automat das Gesicht und den ungefähren Körper von Melle, aber wer weiß, was wäre, wenn das Absperrband und der Techniker nicht da wären, die über ihn wachen wie Body Guards über eine Celebrity, zu was für einer Meute das geneigte Publikum werden könnte.

Ich brauche einen Moment, bis ich mich traue, näher zu treten, ein Foto zu machen, ich schäme mich dafür, aber auch ich bin begierig, das abzubilden, zu dokumentieren, wie einst ein Jahrmarktbesucher die bärtige Frau oder den einäugigen Riesen. Gleichzeitig klopft die Aufklärung in mir, mit strenger Stimme, die Wissenschaft, die Ratio, und schon wieder schäme ich mich. Diesmal dafür, dass ich Mitleid empfinde, mich mit Respekt nähere, einem Objekt aus Kabeln und Elektroden und Motoren, einem Apparat, den man in eine täuschend echt wirkende Puppe gesteckt hat. Denn KI ist das nicht.