August 2018 – Vau We

T. und ich machen eine Werksbesichtigung bei VW in Wolfsburg.

Das Augenfälligste: Menschen braucht hier kein Mensch mehr. Auch unser Guide von der Presse-und Öffentlichkeitsarbeit macht da keinen Hehl draus (hat er vielleicht noch vor ein paar Jahren, aber jetzt, nach D-Skandal und mitten in der Umstellung auf E-Auto, muss man auch hier kein Blatt mehr vor den Mund nehmen). Man kann bei VW schon mit 57 in Rente, es gibt Konzepte für schon mit 55, erklärt er stolz. Da kommt man dann mit einer schönen Abfindung raus.

Wir schauen den Robotern bei ihrem Ballett zu. Wunderschön. Hand in Hand geht das, jeder an seinem Platz, jeder mit seiner Aufgabe, unbeirrt, auch von uns Zuschauern, fügen sie zusammen, kleben, schieben, legen, hieven. Es gibt die orangenen Roboter von Kuka. Und neue, japanische, in gelb, die sind leichter und wirken insgesamt zarter und noch geschickter.

Ein paar Leute noch in der Montage. Die kriegt man aber auch noch weg. Im Moment arbeiten sie schon so ergonomisch, dass sie selbst schon aussehen als wären sie Teil einer Maschine: Fahrbarer Sitz unterm Hintern, maschinelle Unterstützung bei der Überkopfarbeit usw. Also Stress haben die nicht, aus der Perspektive der Roboter wirken sie wie seltsame Tiere, die Lambada hören und sich langweilen. T. fragt nach Exo-Skeletten, der Guide sagt, nee, unser Ziel ist ja Industrie 4 Punkt Null. Da wollen wir hin. Ich weiß nicht, ob er weiß, was 4 Punkt Null eigentlich ist, ob das überhaupt irgendjemand weiß, aber die Null klingt nach dem, was er sagen will: Wir arbeiten daran, dass hier keine Menschen mehr gebraucht werden. Gar keine mehr. Die Vier-Punkt-Nullifizierung der menschlichen Arbeitskraft. Solange daran gearbeitet wird: Fine with me. Ich hab da kein Problem mit. Und die VW-Arbeiter auch nicht, die sind so abgesichert und gut verdienend, davon können die Leute, die ich kenne, allesamt nur träumen.

Am Ende der Produktionsstraße gibt es noch ein paar Leute, die gucken, ob die Maschine alles richtig gemacht hat. Prüfung. Überwachung. Das wird bleiben. Die einzige und hochqualifizierte Arbeit, die hier, in dieser gigantischen Halle (die ich mir höher vorgestellt habe und die noch Einschusslöcher nicht aus dem Nationalsozialismus, nein „aus dem Krieg“ zieren, als hier „keine Autos, sondern Rüstung produziert wurde, ehrlich gesagt“, so unser Guide) vorhanden ist, ist in den Robotern versteckt. Eine Arbeit, die woanders stattgefunden hat, in einem Büro mit flachen Hierarchien, gesunden Snacks und Tischtennisplatte wahrscheinlich, in einem anderen Land, auf einem anderen Kontinent (Japan), bei den Software-Ingenieuren und Maschinenbauern. Eine Arbeit, die einmal getan wurde, um sie seitdem nur noch upgraden zu müssen. Und im Produkt selbst, im Auto, da kann man sie auch noch finden, bei den Designern und Marketing-Leuten zum Beispiel. Die trumpfen auch in der ans Werk angrenzenden „Autostadt“ so richtig auf: Ein riesiges Disney-World-Gelände rund um die Marke VW und ihre Töchter. 15 Euro Eintritt, um sich in spektakulär designten Gebäuden Image-Kampagnen ansehen und sich eine überteuerte Curry-Wurst und VW-Schlüsselanhänger kaufen zu dürfen. Wow. Baudrillard fällt mir ein, Simulacrum.

Außerhalb des Werksgeländes sieht man Aufkleber: 30 Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Warum nicht für alle, denke ich. Warum nur für VW-Arbeiter? Ist doch viel besser als das Grundeinkommen.