Kürzlich bei Mango. Ich stromer so rum, da kommt eine junge Frau rein, vielleicht 19, zusammen mit ihrem Freund. Ihr Blick streift kurz über Kleiderständer und Kundinnen, trifft auf mich – Nee, komm, gleich wieder raus, sagt sie zu ihm, hier gibt’s eher so Sachen für meine Mutter.
Ich bin verblüfft. Sie hat recht, ich könnte ihre Mutter sein. Ich bin schon lange alt genug, um eine 19jährige Tochter zu haben. Trotzdem versetzen mich solche Situationen immer in Erstaunen. Denn ich vergesse, dass ich alt bin. Ich vergesse, dass mir etwas ins Gesicht geschrieben steht. Dass Menschen etwas sehen, was ich nicht sehe. Innen ist anders als außen. Außen macht etwas sichtbar, was sich Innen oft anders anfühlt. Da ist ein Missverhältnis.
Ich fühle mich auf Du und Du mit z.B. Baristas oder Studierenden in der Bibliothek, oder flüggen Kinder von jemandem, und dann stelle ich fest, dass die sich ganz weit weg fühlen von mir. Dass die mich siezen, weil sie allen Grund dazu haben. Wie die junge Frau bei Mango eben. Ihr Leben hat nichts mit mir zu tun und will es auch gar nicht. Ich bin darin höchstens so etwas wie eine Institution: Eine Erwachsene. Ich lebe in einer anderen Welt als sie, und diese Welt ist dumm, bescheuert und interessiert sie nicht.
Ich schäme mich dann. Mir ist das peinlich. Als hätte ich einen blinden Fleck. Als könne jeder es sehen, nur ich nicht.
Kürzlich in einem kleinen Club. Alle Anwesenden sind in ihren Zwanzigern. Bis auf mich, ein paar Freunde und die DJs. Als T. mich küsst, ist mir das ein bisschen peinlich.
Als ich die Freunde frage, ob es ihnen nichts ausmacht, dass alle hier so jung sind, sagen sie, wieso, die können froh sein, dass so ein paar alte Leute da sind. Da fühlen sie sich sicher und es gibt ihnen das Gefühl in einem coolen Club zu sein. Ich hingegen denke, die denken, wenn ich meine Mutter sehen will und hässliche alte Leute, die eklig rumknutschen, kann ich auch zu Hause bleiben.