Neue Serie auf Netflix. Bewährtes Muster, trotzdem gut.
Eine überhitzte, mückenlastige, nur aus Seen, bewaldeten Bergen und Steilküsten bestehende Redneck-Landschaft: Ozark. Der liberale, gut situierte Chicagoer Familienvater Marty Bird packt von einem Tag auf den anderen Frau und Kinder in den Familien-Van und zieht hierher. Im Kofferraum befinden sich außer dem Nötigsten: Taschen voller Geld, genau gesagt: 8 Millionen Dollar in bar. Marty hat sich die Chance, das Geld hier in Ozark zu waschen, erbettelt, und zwar von Del, dem Boss eines mexikanischen Kartells, für den er und sein Kompagnon seit Jahren Geldwäschegeschäfte machen, solide und diskret. Doch Martys Kompagnon ist greedy geworden und Del hat sich geärgert. Sehr geärgert. Also hat Del das gemacht, was zur job description von Kartell-Bossen dazugehört: Er hat alle umgebracht. Auch Marty ist kurz davor, als Leiche im Säurefass zu landen. Den Pistolenlauf im Gesicht schafft er es, Del mit seiner spontan aus dem Hut gezauberten Idee zu bequatschen, in Ozark, einer Ferienregion mit tausenden Kilometern Küste, ein dickes Geschäft zu machen. Da kann Del, in erster Linie Geschäftsmann, nicht Nein sagen. Nun sitzt Marty hier in der Pampa, und hat 3 Monate Zeit, das Geld unter die Leute zu bringen, und dadurch sein Leben und das seiner Familie zu retten – eine ticking clock, die, das ahnen wir, auch oder gerade wenn er sie einhält, für Marty auf ewig in die Verlängerung gehen wird. Wer sich einmal mit dem Teufel einlässt.
Seine Kinder, ein feinsinniger Junge im Grundschulalter und eine selbstbewusste Teenietochter, sind wegen des abrupten Ortswechsels sauer auf ihn. Von seiner Frau, die ihn betrogen hat, ist er entfremdet. Und Geld waschen, das lernen wir, ist harte Arbeit. Denn Geld muss nicht nur buchstäblich gewaschen werden – sehr schön, wie Marty in einer Folge seinem Sohn erklärt, wie man Geld in der Waschmaschine wäscht, damit es gebraucht aussieht – sondern es muss auch gegen verblüffend viele unerwartete Widerstände ausgegeben werden. Das Misstrauen der einheimischen Bevölkerung gegenüber dem Geschäftsmann aus der Stadt und seinen Versprechungen ist groß. Das viele Geld aus dem großen Verbrechen ruft schnell das kleine auf den Plan. Die Trailer-Park Familie Langmore – ganz reizend: die Tochter – kommt ihm schnell auf die Schliche und fordert ihren fair share. Das nette, ältere Farmer-Ehepaar, das auf dem Markt sein Obst und Gemüse verkauft und jeden Sonntag dem engagierten jungen Pfarrer bei seiner Predigt zuhört, entpuppt sich als Kopf eines die ganze Region beliefernden und wie geschmiert laufenden Drogenkartells, gegründet auf dem Anbau von Mohn. Von wegen die Mexikaner undd as organisierte Verbrechen, America first! Marty bringt mit seinen Ambitionen die ganze Architektur aus der Balance. Dass auch das FBI Marty im Vorgarten und im Nacken sitzt, und seine eigenen Verbrechen begeht, um das Verbrechen zu jagen, ist klar.
Die Farben sind ausgegraut in Ozark. Das Wasser, von dem, mit dem, gegen das die Bewohner der Region leben, ist allgegenwärtig. Dieses (Trumpsche) Amerika kennt nur noch den Betrug, das Verbrechen, das Geld. Wie das Wasser sind diese drei Essenzen überall, durchwandern und verbinden alles, halten das Land, die Beziehungen, das Überleben am Laufen. Der Wahnsinn ist total, sodass ein anderes Leben nicht mehr möglich scheint, es gibt keine Lösung, niemand kommt zur Ruhe. Noch die Aufrichtigsten werden von diesem Wahnsinn korrumpiert, der sich alles, was zart oder wertvoll ist, zunutze macht, seinen Gesetzen unterwirft.
Das alles geschieht wie schon in Breaking Bad und vielen anderen Serien/Filmen, die sich im weitesten Sinne mit Mafiastrukturen beschäftigen, im Namen der Familie. Für ihre Hauptfiguren – Männer – ist die Familie der Grund, die Motivation und die Legitimation fürs Verbrechen. I have to provide for my family (protect trifft es nicht mehr so recht) ist ihr Glaubenssatz. Er bestimmt ihre Identität als Mann und treu sorgender Familienvater, als Ernährer eben, da können sie noch so modern, weich, liebe- und verständnisvoll sein. Für die Familie begeht der Mann jedes Verbrechen, wenn es sein muss, sogar das Verbrechen an der Familie. Natürlich geschieht das mit dem Wissen und der Unterstützung der Frau (in Ozark anders als in BB schon von der ersten Sekunde an). Der Mann agiert auch in ihrem Sinne, auf ihren Wunsch. Mann und Frau sind Partner, und da auch die Kinder Bescheid wissen und sich aktiv beteiligen gilt: It‘s a family business.