Well, bisschen boring diese Documenta. Dabei gibt sie sich doch einfach Mühe auf die aktuellen globalen Ereignisse zu reagieren. Was soll sie auch sonst machen, das macht sie halt, kann man ja irgendwie auch erwarten, ist ja durchaus sinnvoll. Weniger KunstKunst eben, da geht ja auch eh nichts mehr, eher so ThemenKunst.
Ich nehme mit, dass Andreas Temme, Verfassungsschutzmitarbeiter – bei der Tötung Halit Yozgats durch die NSU in dessen Internetshop anwesend – anders als von ihm behauptet, die Schüsse gehört, den Schießpulvergeruch gerochen, die Leiche gesehen haben muss. Dass die Justiz sich geweigert hat, eine Ortsbegehung zu machen. Was mich am meisten irritiert, woran ich hängen bleibe: Temme hat Yozgat nachdem die tödlichen Schüsse gefallen waren, Geld für die Internetnutzung auf den Tresen gelegt, bevor er den Laden verlassen hat. Ich weiß nicht genau, warum, aber es kommt mir so vor, als sei diese Geste selbst ein Verbrechen. Da befolgt einer die Buchstaben des Gesetzes, hält sich an Recht und Ordnung, verlässt den Laden, ohne sich etwas zu Schulden kommen zu lassen, macht reinen Tisch. Angesichts des toten Menschen hinter dem Tresen ist diese Geste so herablassend, triumphierend, wegwerfend, erniedrigend, spöttisch und abschließend, dass man Gänsehaut bekommt. Haken drunter, das wär erledigt, hier hast du den Salat.
Wenn es die Kunst ist, die diesen Zusammenhang aufdeckt, aufdecken muss, was ist dann los mit dieser Welt.
Ansonsten ist Kassel selbst wie Pforzheim Mühlacker Bielefeld Karlsruhe Gießen Offenbach. Eine prototypische deutsche Stadt mit Fußgängerzone, Migrantenviertel, Usselecken, SexShops, Park und ein paar schönen Gebäuden. Ich freue mich, dass wir Grüne Soße essen, Behinderungen sind ein gutes Thema, vor allem, wenn man es global betrachtet, und die Kantine in der Neuen neuen Galerie ist cool, weil dort, wo früher die Bratwürste brutzelten, alles voller Pflanzen ist.
Schüss, Kassel, bis in fünf Jahren.