Bei einer Veranstaltung der Linken wird mir endlich mal wieder klar, wie Politik funktioniert, was genau ihre Aufgabe ist. Das hatte ich total vergessen, weil ich mich so lange nicht damit beschäftigt habe, aber jetzt sitze ich hier, bei einer Podiumsdiskussion zum Thema Smart City und es fällt mir wieder ein, auf. Die Aufgabe der Politik ist es, real zu sein. Das heißt, dafür zu sorgen, dass sich nichts ändert, solange es irgendwie einigermaßen unauffällig läuft. Es ist nicht die Aufgabe der Politik, Konzepte und Ideen zu haben oder wenigstens aufzugreifen, die sich für das Große und Ganze oder das Kleine und Unscheinbare oder das Neue und Perspektivische interessieren , es ist ihre Aufgabe, solche Ideen und Konzepte aktiv zu verhindern und denen, die die Ideen haben, zu erklären, dass das was sie sich da vorstellen, total interessant ist, und auch genau das, wofür die Partei steht, aber leider nicht geht. Einfach nicht geht, nicht zu machen ist. Oder wie wollen Sie das finanzieren? Oder wie wollen Sie dafür eine Mehrheit kriegen? (Helmut Schmidt: Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen.) Die Aufgabe der Politik ist die Politik. Lasst alle Hoffnung fahren, Leute, solltet ihr sie je gehabt haben. Die haben einen geregelten Job, und den wollen sie so lange behalten wie geht. Dieser Job unterscheidet sich nicht vom Job eines Sachbearbeiters beim Ordnungsamt. Politik erhebt Gebühren. Auch mal gegen die Interessen der Wirtschaft! Politiker sind nur kleine Rädchen im großen Ideenverhinderungsgetriebe Politik, und die schlimmsten sind die, die einem das auch noch mit traurigem Hundeblick mitteilen. „Der Gestaltungsspielraum ist da doch eher klein“. „Wenn wir mehr Stimmen hätten vielleicht“. Ansonsten bringen sie ihre Kinder in die Kita. In die Politik geht man wegen der Vita, der Festanstellung, der Karriere oder der Rente, nicht weil man was bewegen will. Wer was bewegen will oder was interessant findet oder eine gute Idee hat, der wendet sich schnell und mit Grauen ab von der Politik. Aber weil Politiker wie Redakteure sind, müssen die, die was bewegen wollen, dann wieder bei den Politikern vorkriechen.
Dabei: Smart City, mann, ich meine das ist doch ein Thema! Diese Stadt hat doch genug Probleme, Verkehr! Wohnen! Aber die Politik sagt ja nicht: Keine Autos innerhalb des S-Bahn-Rings in den nächsten fünf Jahren. Oder: Elektro-Roller? Super Idee, schaffen wir als Kommune an – in Kooperation mit der Wirtschaft von mir aus. Oder: Liebe Architektinnen dieser Stadt, hier ist Geld, baut interessante, leistbare Wohnungen, wir wissen, ihr brennt darauf. Oder: Ökologische Dämmung und sanierte Bäder für alle Mieter, und zwar ohne dass die wegen etwas so Sinnvollem auf die Barrikaden gehen müssen, weil es am Ende nur bedeutet, dass sie sich die Miete nicht mehr leisten können. Nein, die Politik sagt: Ach, all diese verrückten, kreativen Ideen, das ist ja so Berlin! Und dann geht sie in die Kantine und hält den Stimmzettel hoch, wenn es wieder heißt: ja zur A100, damit man wenigstens regierungsbeteiligt wird. Oder verkauft die GSW.
Im Publikum übrigens: 33 Anwesende, davon 7 Frauen. Ein Mann redet über das Problem der Terminvergabe beim Bürgeramt (tatsächlich eine typische Berliner Sauerei, nicht mal die Politik kriegt sie hin, die Politik), einer über die stiefmütterliche Behandlung der Fragen der Landwirtschaft und die Problematik der Generation Smartphone (Zombies, die sich nichts mehr zu sagen haben), eine Frau von der Gewerkschaft verteidigt VW und hasst Google (??), ein paar von den Jungen, Antifa-mäßigen OSI-Studenten, die Die Linke ja auch im Repertoire ihrer Wähler hat, versuchen’s hoffnungsvoll mit dem eigentlichen Thema, sind aber schnell frustriert, weil es kein Echo gibt.
Mein Fazit: Never again! Und ob ich nochmal wählen gehe…