Alle, die hier zwischen 30 und 50 sind, hams an der Bandscheibe. Sie sind die Bandscheibis. Eine verschworene Gemeinschaft von hier als jung wahrgenommenen Menschen, die zusammen halten, auch mal einen trinken gehen, und sich über ihre schrecklichen, von der Umwelt nicht nachvollziehbaren Schmerzen, ihre nutzlosen Medikamente und in Sebastians Fall offen über ihre darniederliegende Fick-Kapazität austauschen. Alle haben Ängste und sind gefrustet. Wie soll das weitergehen? Jetzt schon so kaputt? Will man so leben? Die Banscheibis haben eine Tendenz, da draußen einsam und depressiv zu werden, das versteht man hier untereinander.
Der kleine Rest der Jungen hat Knie, Sportunfall. (Fußball, Ski). Die Knie sind uninteressant für die Bandscheibis, die Knie sind heilbar, ne einmalige Sache, die Bandscheibe hingegen ist etwas grundlegend Lebensphilosophisches, die mit den Knien können da nicht mitreden.
Alle anderen, also die Alten, haben das, was die Knie und die Bandscheibis mal kriegen, wenn die Jahre weiter ins Land gezogen sind. Das kann man sich hier schon mal schön angucken: Versteifte Wirbel, verkrümmte Wirbelsäulen, künstliche Hüften, künstliche Bandscheiben, künstliche Kniegelenke, Osteoporose-Brüche an Schulter, Oberarm, Oberschenkel – um jetzt nur mal von den orthopädischen Problemen zu sprechen und nicht die Gefäß-Herz-Hirn-all-over-Krebs-Gastro-Diabetes-Rheuma-Krankheiten zu erwähnen oder auch einfach nur die Gebisse, die hier beim Essen auch mal rausfallen oder im Briefkasten deponiert werden. (Den hier jeder bekommt und in den jeder fünfmal am Tag reinguckt, weils so langweilig ist).
– Als Frau Juni-Schmidt sich beim Essen beklagt, dass die Ärztin ihr das Tramal (Opiat) weggenommen hat, frage ich sie, wie viel sie denn davon genommen hat. 200 Milligramm, sagt sie. What the ?!! In dem Moment wird mir klar, dass die Alten hier alle auf Drogen sind.
– Und was mir auch nicht klar war: Viele Patienten wollen gar nicht als gesund entlassen werden, sie wollen eine Bescheinigung, dass sie krank sind, arbeitsunfähig, berufsunfähig, damit der Job, der sie krank gemacht hat, endlich vorbei ist.