Herr P. geht an Krücken. Und auch das nur mit Mühe. Er wirkt für seine Anfang 70 sehr jung, trainiert, fit, aber sein Bein zieht er hinter sich her, steif, die Hüfte leicht verdreht, es sieht ein bisschen aus wie man das von der Kinderlähmung noch kennt.
Als er mich auf dem Laufband sieht, stellt er sich neben mich und fragt, wie schnell ich denn laufe. 5 km/h. Er sei doppelt so schnell gelaufen, erklärt er mir. Aha? Er war österreichischer Meister im Walking, und Österreich, das bedeutet Berge, schiebt er noch nach. Aber das war bevor der Schlaganfall ihn zum Krüppel gemacht hat. Das Wort spuckt er aus, die Verachtung wird klar. Da ist jemand sehr gekränkt, bitter, dunkel. Ich kann ihn in den nächsten Tagen nur in vorsichtigen Dosen ertragen, obwohl er immer wieder meine Nähe sucht. Wahrscheinlich merkt er, dass ich ihn verstehe.
Er ist kein leichter Kandidat für die Therapeuten. Er langweilt sich, kommt deshalb zu früh in die Mucki-Bude, setzt sich einfach auf Geräte und legt übertrieben los ohne Einführung. Im Bewegungsbad muss der Therapeut ihn zurück aufs Zimmer schicken, weil er unvernünftigerweise gekommen ist, statt mit seinen starken Wadenkrämpfen im Bett zu bleiben. Er hält gerne das knapp getimte Prozedere in den Abläufen auf. Er macht gerne anzügliche Bemerkungen.
Ein paar Tage später begegne ich ihm auf dem Flur, frage ihn, wie es ihm geht.
Sagen Sie es niemand, sagt er zu mir, aber am liebsten würde ich mich einschläfern lassen.