April 2015 – Die Plakat-Frau

T. erzählt, dass er kürzlich vor einem Plakat stand, in der U-Bahn.

Auf dem Plakat war eine junge Frau, die hat ihm so gut gefallen, dass es gut war, dass die U-Bahn gekommen ist, sonst hätte er sich in sie verliebt.

Der Witz ist: Ich weiß sofort genau, welches Plakat er meint.

Es ist von einer Wohnungsbaugesellschaft und verkündet, dass gebaut wird, 5000 neue Wohnungen sollen entstehen.

Man sieht einen Mann mit Helm und eine junge Frau mit Helm und im Hintergrund eine Baustelle,  und wenn das Ganze in schwarz-weiß wäre, dann könnte das ein Foto aus der DDR sein, von sagen wir 1953, als die DDR noch in Ordnung war und für ein paar Jahre vielleicht wirklich das bessere Deutschland. Ein Deutschland zumindest mit Stadtplanungsprojekten, die aus besseren Ideen bestanden als einer Ringautobahn und genau wie die jungen, sympathischen Alltagsmenschen auf den alten DDR-Fotos mit ihren Gesichten und ihren Handbewegungen in eine Zukunft wiesen, die den Menschen gehören sollte und nicht dem Profit oder dem Faschismus. (So jedenfalls die linkswestlich-ostalgische Sicht der Dinge.)

Das Mädchen hat eine Brille auf. Sie ist schlau. Sie hat Architektur studiert oder Stadtplanung, also keinen so ganz typischen Frauenberuf gewählt, wofür man ihr zusätzlich Respekt zollen muss und was ihr eine Aura des soliden Handschlags einbringt. Sie liebt ihre Arbeit, denn die macht Sinn, und so macht sie sie mit Engagement, Freude und aus Überzeugung. Eine Frau, mit der man was aufbauen kann.

Ich verstehe, dass T. sich in sie verliebt.

Ich will nicht, dass T. sich in sie verliebt.

Als ich sie das nächste Mal sehe, finde ich, ihre Brille sieht doof aus und ihr Mund ist klein und komisch. Vielleicht guckt er besser nochmal genauer hin.

Gut, dass er eigentlich immer mit dem Fahrrad fährt.