G. regt sich auf, weil ein riesiges Schild mit der Aufschrift Frieden am Ortsschild eines kleinen Brandenburger Dorfes hängt. Ist doch klar, wer das ist, sagt er. Is doch irre, sage ich, dass das so ist. Dass die Forderung nach Frieden, die zu unserer politischen Sozialisation, zu unserem Selbstverständnis als sich links verortende Menschen seit je dazugehört, heute etwas ist, was einen empört. Dass man, wie G., den Impuls verspürt, zur Bürgermeisterin gehen zu wollen und zu sagen, was hängt denn da, so geht das doch nicht. Weil man weiß, welche Ecke mit dem Begriff hantiert und welchen Twist er dort verpasst bekommen hat. Frieden und Freiheit fordern, das machen heute die Rechten – oder die von links in diese Richtung abgebogenen bei der BSW. Und was kann man als Bevölkerung vor Ort oder als Durchgangsreisender auch sagen gegen ein Plakat, das Frieden fordert. Für wen da nix dabei ist, dem ist eh nicht zu helfen. Den sogenannten Kulturkampf hat die AfD in diesen Orten längst gewonnen. Wir können dagegenhalten und spezifizieren, was wir meinen, wenn wir Frieden sagen. Aber das ist alles Jaja und tl;dr. Die Begriffe liegen längst frisch gefüllt wie Cannoli ganz vorne in der Auslage.
Dennoch. Sind jetzt alle Leute, die sich auf Frieden als aktivistischen, politischen Begriff beziehen, nur bekloppte, naive Hippie-Idioten? Das hatten wir schon mal. Die Rhetorik der Stunde ist jedenfalls Aufrüsten in Milliardenhöhe, kriegstüchtig werden (nicht mal verteidigungstüchtig hört man mehr, der Krieg muss schon rein in die Köpfe, in die Erwartungshaltung), Rheinmetall-Aktien kaufen, Wehrpflicht wieder einführen, sich von der Schweiz zum Thema Bunker beraten lassen, bei uns gibts nämlich keine, da sind jetzt Ausstellungen und Pubs drin, den Hiroshima-Jahrestag weggedenken, als wär er was für Leute im Altersheim, Experten für Katastrophenschutz warnen und aufklären lassen, und immer wieder auf allen Kanälen versichern, dass der Krieg in der Ukraine alternativlos sei, weil Putin sich nicht bewegen will. Das stimmt auch. Aber trotzdem, ich mein, ja nur. Rhetorik. Was ist hegemonial. Alles immer mit Vorsicht zu genießen und zu beobachten.
Im Gropius Bau und der Nationalgalerie eine Ausstellung von Yoko Ono. Es wäre falsch, sie nur auf diese Peace-Sachen zu reduzieren, die sie gemacht hat, aber als Thema zieht sich das bei ihr schon durch. Kein Wunder, sie hat als Kind den Krieg erlebt. Und auch, wenn mir das oft kitschig oder zu einfach vorkommt, was sie da macht, liegt doch gerade in der Einfachheit der Peace-Forderung, des Friedens-Wunsches eine Stärke. Was, wenn alle Schachfiguren weiß sind. Wie in den 80ern verbindet sich die Forderung nach Frieden erneut mit der Natur und Umwelt-Frage, heute Klimawandel genannt. Im September gibt es in der Neuen Nationalgalerie eine von der Yoko Ono-Ausstellung inspirierte lange Tafel für alle, bei dem irgendwann alle als Friedenszeichen gemeinsam kleine Glocken läuten. Da muss ich natürlich spontan an die Ulmer Menschenkette denken. Okay, Frieden sagen war schon immer etwas problematisch, weil nicht gerade analytisch, sondern eher gefühlig, weihnachtlich, aber dennoch, was, wenn Frieden sagen irgendwann mal wieder hegemonialer und weniger peinlich bzw. vor allem weniger Putinflüsterer-mäßig. Was bis dahin alles passieren wird, davor graut einem. Es fällt mir jedenfalls auf, dieses Event, als seismografische Bewegung gegen die Bewegung. Und gegen die gefüllten Cannoli.