September 2018 – Populismus

Die Linke/Rosa-Luxemburg Stiftung beschäftigt sich gerade vermehrt mit Populismus. Wir brauchen einen von links, ist der Tenor.

Dass man überhaupt auf die Idee kommt, Populismus zu fordern, finde ich empörend. Populismus als politische und kommunikative Strategie in Betracht zu ziehen, bedeutet davon auszugehen, dass Leute dumm sind, dass man sie da abholen muss, wo sie dumm sind, und dafür sorgen muss, dass sie dumm bleiben. Populismus ist eine Absage an Aufklärung, Wissen und Wissenschaft, eine Absage an die Idee vom lernenden, denkenden Menschen. Seit wann ist einer solchen Haltung je etwas Gutes entsprungen?

Einmal mehr offenbart sich in dieser Forderung nach Populismus als politischer und kommunikativer Strategie der romantisierende Blick der Linken auf „den Arbeiter“, in den schon immer etwas Elitistisches bis Verächtliches eingeschrieben war. Die linken Eliten sehnen sich nach „dem Arbeiter“, sie wollen für ihn andockbar sein. Auch wenn der sie längst vergessen hat. Auch wenn der längst besser verdient und besser abgesichert ist als sie selbst. Vor allem aber: Auch wenn der ein Nazi ist. Sie wollen ihm aufs Maul schauen und nach dem Maul reden. Damit er sie wieder liebt. Schade, schade, nun sind sie alle bei der AfD, der Pegida, der Nachfolge-NSU, den Identitären, den Reichsbürgern, den Hooligans und singen dort ihre Lieder. Und die, die dort sind, sind oft gar keine Arbeiter, sondern satte Mittelschichtler mit Hochschulabschluss und Car-Port, einige von ihnen waren selbst mal linke Elite, sie verlegen Zeitungen, haben Verlage und sind international vernetzt. Aber das ist egal, die Linke will lieber mal besser über Populismus als Heilsstrategie nachdenken als über Ideen, Konzepte, Forderungen, die dem System an die Substanz gehen. Sie wollen lieber auf den Rechtsruck reagieren als agieren.

Auch hier spaltet die Linke sich feinsäuberlich auf. Die Populismus-Forderung vom „bösen“ Flügel,  also dem rund um Wagenknecht/Aufstehen-Bewegung/Bernd Stegemann, der eher unverhohlen national argumentiert. Der deutsche Arbeiter, die deutsche Oma, das deutsche Kind zuerst. Und eine Populismus-Forderung vom „guten“ Flügel, also Kipping/Bartsch, die sich als innerparteiliche, rasche Antwort darauf mit Chantal Mouffe und ihrer akademisierten, korrekteren Variante der Populismus-Diskussion wappnet, die um Verständnis für die Bedürfnisse und Emotionen des kleinen Mannes ringt.

Das ist alles haarsträubend.